Gewerkschaftler und Sozialdemokrat

Engelbert Sander in 1929 geboren und in 2004 verstorben

Vor 95 Jahren – am Mittwoch, 30. Januar 1929 – wurde Engelbert Sander in Schweskau im Landkreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) geboren. Vor zwei Jahrzehnten – am Samstag, 17. April 2004 – verstarb der langjährige hauptamtliche Funktionär der Industriegewerkschaft Metall (IGM) und einstige Bundes- und Kommunalpolitiker. Für dieses Blatt der Anstoß, an den Gewerkschaftler und Sozialdemokraten zu erinnern.

Soest im Juli 1976:
Engelbert Sander (links) erhielt im Bundestagswahlkampf mit dem damaligen Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner (1906-1990), prominente Unterstützung.

Beruflicher Werdegang

Nach dem Besuch der Volkschule in Niedersachsen absolvierte Engelbert Sander von 1943 bis 1946 eine Verwaltungslehre und trat im Jahr 1951 der IGM bei. Seine beruflichen Kenntnisse verstärkte er von 1953 bis 1955 mit einem Abendstudium an der Wirtschafts- und Verwaltungsakademie in Hannover und in 1955 und 1956 mit einem Tagesstudium an der Dortmunder Sozialakademie. Mit dem erlangten Zertfikat erfüllte er das Anforderungsprofil, das ihm ab 1957 eine hauptamtliche Arbeit bei der IGM in Lippstadt ermöglichte. Mit 28 Jahren war er bereits Erster Bevollmächtigter der Metallgewerkschaft. In dieser Funktion bildete er über viele Jahre mit dem in 1963 ebenfalls als Sekretär zur IGM gekommenen Werner Franke (1928-2006) ein perfektes Gespann für die Gewerkschaftsarbeit. Mit dem gebürtigen Dresdener setzte Engelbert Sander diese enge Kooperation auch in der SPD in der Stadt an der Lippe und auf der Kreisebene fort. Gemeinsam mit den damals von der IGM in den örtlichen Unternehmen gestellten Betriebsräten erfuhr die heimische Sozialdemokratie von den 1960er bis in die 1990er Jahre eine deutliche gewerkschaftliche Prägung.

Sozialdemokratie

„Mein Interesse an der Politik ist schon während der Nazidiktatur geweckt worden, wo wir als Kinder und Jugendliche alle das Kriegsende und einen demokratischen Aufbau herbeisehnten.“ Dies erklärte Engelbert Sander gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen im Januar 2004 bei der Erstellung eines Portraits anlässlich seines 75. Geburtstages. Von daher war es nicht überraschend, dass der Weg von Engelbert Sander nach dem Niedergang der Radikaldemokratischen Arbeiterpartei (RDAP), zu deren Mitbegründern er zählte, in die SPD führte und der er bis zu seinem Tod über 49 Jahre angehörte. Seine Funktionen in der und für die Sozialdemokratie erstreckten sich vom stellvertretenden Vorsitz der SPD in Lippstadt über die Aufgabe als Vizechef des früheren SPD-Kreisverbandes Lippstadt bis in den Vorstand des damaligen Vorstandes des SPD-Unterbezirks Hamm und der Mitgliedschaft im Bezirksausschuss der SPD im Westlichen Westfalen.

Bonn im Frühjahr 1972:
Engelbert Sander gehörte zu jenen Mitgliedern des Bundestages, die den von den Unionsparteien beantragten Sturz des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt abwehrten und somit die Grundlage für den im November 1972 erfolgten überzeugenden SPD-Wahlsieg legten.
Archiv-Fotos (2): Sammlung Hans Zaremba

Einheit

Der parteipolitische Schwerpunkt von Engelbert Sander war vornehmlich in der AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, heute Arbeitsgemeinschaft für Arbeit) in der SPD. Für sie war er Vorsitzender des Bezirksausschusses, danach stellvertretender Vorsitzender der Landes-AfA und später auch amtierender Landeschef der AfA. Ebenso war der Lippstädter über lange Jahre Vorsitzender der heimischen AfA im 1975 neu entstandenen Kreisgebiet. Für ihn, der schon mit 22 Jahren der IGM beigetreten war und ihr über zwei Jahrzehnte als hauptamtlicher Repräsentant diente, keine Besonderheit. Die SPD und die Gewerkschaften bildeten für ihn und seine Generation meist eine politische Einheit.

Auszeichnung

Von der Gewerkschaftsarbeit ausgehend entwickelte Engelbert Sander seine Leidenschaft für die Mitwirkung in den politischen Vertretungen. Von 1961 bis 1975 – dem Zeitpunkt der kommunalen Neuordnung in Lippstadt und im Umland – war er Mitglied des Lippstädter Stadtrates. In den Jahren von 1969 bis 1975 gehörte er dem Kreistag Lippstadt und nach der Gebietsreform in 1975 bis 1981 dem Gebilde des neuen Großkreises Soest an. Überdies gelang ihm von 1969 bis 1976 und von 1978 bis 1987 zweimal der Sprung in dem zu jener Zeit noch in Bonn beheimateten Bundestag. Anlässlich seines 75. Geburtstages bezeichnete er den politischen Aufbruch mit den von der SPD gestellten Kanzlern Willy Brandt (1913-1992) und Helmut Schmidt (1918-2015) als die für ihn bedeutendste Phase seiner Zugehörigkeit im deutschen Parlament. Nach Jakob Koenen (1907-1974), der von 1953 bis 1969 als Abgeordneter am Rhein wirkte, war der Gewerkschaftler das zweite SPD-Mitglied aus Lippstadt im Bundestag. Ihm folgte später in 1995 bis 2009 mit Eike Hovermann wiederum ein Lippstädter Sozialdemokrat. Gewürdigt wurde die politische Arbeit von Engelbert Sander, der zeitweilig Mandate in drei Vertretungen – Stadtrat, Kreistag und Bundestag – zugleich ausübte, mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

Hans Zaremba