Hans Zaremba über ein Treffen mit Lothar Binding
Für Lothar Binding, Bundesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus, verfolgt Olaf Scholz mit seinem „überlegten Kurs“ zum Überfall von Russland auf die Ukraine „eine verantwortungsvolle Politik“. Das vom Bundeskanzler mit den Nato-Partnern abgestimmte Handeln bezeichnete der Gast der Lippstädter SPD-Senioren als den „richtigen Weg“, um der Ukraine bei ihrer Abwehr der russischen Aggression beizustehen. Das schließe auch die Notwendigkeit von Waffenlieferungen in das vom Krieg heimgesuchte Land ein.
Pflege und Rente
In der von seinen Parteifreunden Franz Bußmann und Karl-Heinz Tiemann aus Lippstadt moderierten öffentlichen Gesprächsrunde sprach sich der Heidelberger Sozialdemokrat für eine internationale Plattform „Mehr Diplomatie wagen“ aus, um schnellstens das anhaltende Sterben von Soldaten und Zivilisten in der Ukraine zu beenden. Im Mittelpunkt des zweistündigen Dialogs in der Tivoli-Lounge mit der Frage „Plötzlich zu alt?“ standen Inhalte, die sich auf die Situation der älteren Generation bezogen. So zum „Pflegeunterstützung- und entlastungsgesetz“, das Ende Mai vom Bundestag auf den Weg gebracht wurde. Vor dem Hintergrund der Zunahme von immer mehr Menschen, die pflegebedürftig werden, und immer weniger Menschen, die in die Pflegeversicherung einzahlen, ein notwendiger Schritt. Doch schon vor der Entscheidung im Parlament hatte es aus der Mitte der Sozial-, Wohlfahrts- und Pflegeverbände reichlich Kritik gegenüber dem Vorhaben der Ampel-Koalition gegeben. Dessen ungeachtet erklärte Binding in der Lippstädter Zusammenkunft: „Die Pflegeversicherung muss stabilisiert werden, um der demographischen Entwicklung zu begegnen und die Leistungsanpassungen zu finanzieren.“ „Wie sicher ist die Rente in der Zukunft?“ ist ein Aspekt, der nicht nur die heutigen Bezieher von Leistungen aus der Bundesversicherungsanstalt berührt. in Anbetracht einer längerfristigen Perspektive des „Generationenvertrages“, der die Kapitaldeckung der gesetzlichen Altersvorsorge regeln soll, forderte der einstige Starkstromelektriker und spätere Diplommathematiker „die Einführung einer Bürgerversicherung, in der alle Erwerbstätigen ihre Beiträge einzahlen“. Ein Modell, das sich unterdessen in Österreich bewährt habe und wo gegenwärtig für die Rente ein Beitrag von 22 Prozent des Einkommens – mit Anteilen für die Arbeitnehmer von zehn und für die Arbeitgeber von zwölf Punkten – aufzubringen sei.
Heizung und Steuern
Zugleich wurde im Interview mit Lothar Binding die Diskriminierung im Alter aufgegriffen. Ausgelöst durch die aktuelle Tatsache, dass offenkundig Menschen mit einem Alter von 70 Jahren nicht mehr das Ehrenamt eines Schöffen ausüben dürfen. Für den Bundes-Vormann der SPD-Senioren ein Unding: „Die Berufung zum Laienrichter sollte von der Qualifikation abhängen“. Angesichts des rasanten Anwachsens der 80 bis 90-Jährigen war gleichfalls die zunehmende Vereinsamung der Menschen im Alter ein Blickwinkel der Debatte der Senioren-Debatte der SPD. Über ein allgemeines Seniorenmitwirkungsgesetz hinaus favorisierte der an die Lippe gekommene Referent örtliche Angebote wie Zentren der Begegnung und aufsuchende Hilfen. Aus der Mitte der Zuhörerschaft wurde zudem der Ruf nach der Rückkehr der Gemeindeschwester laut, die verstärkt in der ehemaligen DDR anzutreffen war. Zum Zeitpunkt des Binding-Besuches in Lippstadt hatten in Berlin die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach einem langen Disput ihre letzten Streitpunkte zum Heizungsgesetz ausgeräumt. Die Angst der älteren Generation vor diesem Paket könne er verstehen, erklärte der Bundesvorsitzende der SPD-Senioren, weil die Vermittlung der Koalitionäre zu den Maßnahmen nicht hinreichend war und somit zusätzliche Besorgnisse hervorgerufen wurden. Nach dem jetzt gefundenen Koalitions-Kompromiss betrachte er die neuen Regelungen „entspannt“. Als Parlamentarier im Bundestag – von 1998 bis 2021 – war für Binding die Finanz- und Steuerpolitik ein zentrales Thema seiner Tätigkeit. „Soziale Gerechtigkeit braucht Steuergerechtigkeit“, unterstrich der 1950 in Sandershausen bei Kassel geborene SPD-Politiker. Die Mehrwertsteuer bezeichnete der Mann mit dem Zollstock, Markenzeichen des einstigen Bundestagsmitgliedes bei der Erläuterung von Sachverhalten der Fiskalpolitik und auch in Lippstadt ein Instrument seiner Anmerkungen, als „ungerecht“. Sie treffe verstärkt die Menschen mit einem geringeren Einkommen, während sie für die wirtschaftlich besser gestellten Kreise nicht so stark ins Gewicht falle.