Hans Peters, Helmut Kuhne, Birgit Sippel

Europawahlen in der Region von Lippstadt von 1979 bis 2019

Als im Juni 1979 die erste Direktwahl des Europaparlaments (EP) bevorstand und dafür ein Wahlkampf auszurichten war, betraten die Parteien damit Neuland. Klassische Wahlkreise wie bei den Wahlen des Bundestages und für die Landtage gibt es nicht. Die von den Parteien vorgeschlagenen Kandidatinnen und Bewerber ziehen über ihre jeweiligen Listen in das EP ein. Bei der SPD über eine bundesweite Liste. Die Union stellt wegen der Besonderheit mit der CSU in Bayern generell Landeslisten auf.

Lippstadt am Dienstag, 5. Mai 2009:
Besuch von Birgit Sippel während ihrer ersten Kampagne als Kandidatin für das Europaparlament in einer Metallwerkstatt der INI im Wohnpark Süd. Mit dabei Heinz Gerling (SPD) Reinhard Venjakob (INI), Bernhard Scholl (SPD) und Andreas Knapp (INI).  

Wahlbeteiligung

Da es bei den Europawahlen keine Direktbewerber gibt, suchen sich die Parteien jeweils ihre regionalen Ansprechpartner. Für die heimische Sozialdemokratie war dies bei der ersten Europawahl in 1979 der Dortmunder Hans Peters, ein gelernter Schumacher, späterer Bergmann und von 1961 bis 1973 Sekretär der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie sowie im Anschluss bis 1979 Leiter der Wohnungsverwaltung der Neuen Heimat. Von 1979 bis 1994 gehörte das vormalige Mitglied des Dortmunder Stadtrates dem Europaparlament an. Ein Überblick der Europawahl-Resultate von 1979 zeigt auf, dass der bundesweite Trend meist auch in Lippstadt zu registrieren war. Wahlbeteiligungen: Im Bund mit 65,7 gegenüber 68,6 Prozent in Lippstadt. Abstimmungsergebnisse: CDU 49,2 bundesweit und in Lippstadt 49,9 Prozent, SPD 40,8 bundesweit und in Lippstadt 41,0 Prozent. Beklagt wurde in 1979 von den Medien und Parteien die geringe Wahlbeteiligung, die sowohl auf der Bundesebene als auch in Lippstadt zum Nachteil der SPD gewesen sein dürfte. Von 1994 bis 2009 war Helmut Kuhne der regionale SPD-Repräsentant im Europaparlament. Dort erwarb er sich als profunder Kenner der internationalen Szene vielfältige Verdienste. Auch als „Polit-Rentner“ wird der Bad Sassendorfer noch häufig zu Diskussionen eingeladen, so zuletzt beim SPD-Aschermittwoch im Februar in Lippstadt. Die schwache Wahlbeteiligung, die bereits 1979 bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament zu registrieren war, setzte sich auch bei den folgenden Wahlen fort. So betrug sie in 1994 im Bund 60 Prozent und im Kreisgebiet 61,8 Prozent. Während die SPD bundesweit eine Zustimmung von 32,2 Prozent erzielte, war ihr Resultat in Lippstadt mit 37,8 Prozent erheblich höher.

Lippstadt am Samstag, 18. Mai 2019: Zur Unterstützung des Wahlkampfes wird der Ex-Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, von den Jungsozialisten an der Jakobikirche empfangen.
Archiv-Fotos (2): Hans Zaremba

SPD-Ergebnisse

Nach dem imposanten SPD-Erfolg bei der Bundestagswahl im September 1998 mit der Ablösung der schwarz-gelben Koalition durch die Bildung einer rot-grünen Regierung war achteinhalb Monate später das SPD-Ergebnis bei der Europawahl im Juni 1999 eine deutliche Ernüchterung. Bundesweit verbuchten die Sozialdemokraten 30,8 Prozent, in Lippstadt immerhin noch 35,7 Prozent. Bei der Bundestagswahl 1998 waren es für die SPD im Bund 40,9 und in Lippstadt 44,7 Prozent. Ursachen für die enormen SPD-Verluste bei der Europawahl im Juni 1999 dürften unter anderem die internen SPD-Probleme in der vom Kanzler Gerhard Schröder geführten Bundesregierung mit dem überstürzten Rücktritt des damaligen Finanzministers und SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine am 11. März 1999 gewesen sein. Bei der folgenden Europawahl am 13. Juni 2004 musste die Sozialdemokratie wiederum Einbußen hinnehmen, die nicht zuletzt auf die Sozialreformen mit der Agenda 2010 des Bundeskabinetts und der Entfremdung zu Gewerkschaften zurückzuführen waren. In Lippstadt konnte die SPD noch 24,3 Prozent der Stimmen einsammeln, im Bund waren es lediglich 21,5 Prozent. Für den SPD-Mann Helmut Kuhne reichte es trotz dieser „Abstrafung der Bundespolitik“, so sein Fazit nach seiner dritten und letzten Europa-Kandidatur, für ein neuerliches Mandat. Ähnlich enttäuschend waren die SPD-Ergebnisse bei der Europawahl in 2009 (in Lippstadt: 24,1, im Bund: 21,8 Prozent), als für die Sozialdemokraten in der Region zum ersten Mal Birgit Sippel an den Start gegangen war. Besser war die SPD-Ausbeute fünf Jahre später – am 25. Mai 2014 -, die in Lippstadt 32,6 Prozent betrug, während sie im Bund 27,3 Punkte betrug. Parallel mit der Europawahl in 2014 fanden in Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahlen statt, bei denen die Sozis in Lippstadt sowohl bei der Bürgermeisterwahl als auch für die Zusammensetzung des Rates ähnliche Resultate erzielen konnten. Die wohl bislang größte Enttäuschung bei einer Europawahl erlebte die SPD am 26. Mai 2019, als sie im Bund bei 15,6 Prozent hängenblieb, während sie in Lippstadt noch 17,1 Punkte holte. Die bitterste Schmach dabei war für sie, auf beiden Ebenen – im Bund und in der Stadt – nur noch auf dem dritten Rang zu landen.

Hans Zaremba