Warnung vor russischer Expansion

Helmut Kuhne zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine  

Vor zehn Jahren – im Februar 2014 – erlebte die ukrainische Gesellschaft heftige Unruhen auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew. Bereits in den vorhergehenden drei Monaten hatten Zehntausende Menschen auf diesem Platz gegen die damalige Kiewer Regierung und für eine Annäherung an die Europäische Gemeinschaft demonstriert. Zwischen dem 18. und 20. Februar wurden aus den Protesten Gewalt mit rund 100 Todesopfern. Der damalige von Moskau unterstützte Ukraine-Präsident Wiktor Janukowytsch konnte sich mit Kreml-Hilfe nach Russland absetzen. Für viele Menschen in der Ukraine waren die Geschehnisse eine Revolution, für den russischen Machthaber Wladimir Putin ein Staatsstreich. Heute werden sie als Auslöser für den Beginn des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine bewertet.

Lippstadt am Aschermittwoch, 14. Februar 2024:
Der frühere Europaabgeordnete Helmut Kuhne (Mitte) betrachtete im Interview mit Karl-Heinz Tiemann und Marlies Stotz bei der öffentlichen SPD-Runde die Chancen baldiger Verhandlungen für ein Ende der Kampfhandlungen in Ukraine skeptisch.
Foto: Hans-Joachim Danzebrink

Verhandlungen

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der im Grunde schon im Februar 2014 unmittelbar nach den Vorgängen auf dem Maidan mit der Annektierung der Krim sowie im März 2014 mit dem von Russland begleiteten bewaffneten Konflikt im Donezbecken (Donbas) begann, war beim SPD-Aschermittwoch in Lippstadt einer von drei Komplexen  des knapp zweistündigen Gesprächs mit dem in Bad Sassendorf lebenden früheren Abgeordneten des Europaparlaments, Helmut Kuhne. Eine reale Chance für konkrete Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zum Ende der Kämpfe werde es nach Auffassung des vom Moderatoren-Duo Marlies Stotz und Karl-Heinz Tiemann befragten Referenten beim Politischen Aschermittwoch im Lokal „Jathe`s Kegelbahnen“ nur geben, „wenn Russland militärisch im bedeutenden Ausmaß zurückgedrängt wird“.  

Beurteilungen

Leider sei der aktuelle Kriegsverlauf für das Putin-Regime auch günstig. „Russlands Rüstungsindustrie produziert jede Woche über hundert Panzer, während bei der Ukraine Knappheit herrscht“ lautete die nüchterne Einschätzung des ehemaligen Mitglieds der Parlamente in Brüssel und Straßburg und fügte hinzu: „Die Beurteilungen der Lage sind in den letzten Monaten auf westlicher Seite auch deutlich skeptischer geworden, während davor vor allem die britischen Geheimdienste praktisch jede Woche meldeten, wie sehr es auf der Seite Russlands hakte.“ Folglich hielt sich Helmut Kuhne bei der SPD-Zusammenkunft mit Einschätzungen zum künftigen Kampfverlauf im Ukraine-Krieg zurück.

Unterstützung

Nach der Rolle und den Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland für einen Beistand der vom Angriff Russlands gepeinigten Ukraine befragt, hob Helmut Kuhne bei der SPD-Veranstaltung in Lippstadt hervor: „Deutschland ist nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine mit großem Vorsprung vor allen europäischen Staaten.“ Olaf Scholz habe auf dem letzten Gipfel der Europäischen Union (EU) vor allem die anderen großen EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, mehr zu tun. Nach Angaben des Bundeskanzlers würde Deutschland in diesem Jahr die Ukraine mit mehr als sieben Milliarden Euro an Militärhilfe unterstützen. Drei Tage nach dem SPD-Aschermittwoch in Lippstadt untermauerte der SPD-Politiker aus dem Kanzleramt auf der Münchener Sicherheitskonferenz seine Forderungen an die anderen Länder in der EU im Interesse ihrer eigenen Sicherheit eindringlich, nachzuziehen. Das bedeute auch einen Kampf gegen Moskaus Propaganda-Kampagnen.

Sondervermögen

Mit der in diesem Beitrag beschriebenen Annexion der Halbinsel Krim hat Russland ein neues Zeitalter eingeläutet. Mit dem militärischen Eingriff hat das Kreml-Regime aufgezeigt: Die politischen und geopolitischen Veränderungen seit dem Ende des Systemgegensatzes 1991 sind aus dem russischen Blickwinkel korrekturbedürftig. Bisherige Regeln gelten nicht mehr. Diskutiert wurden beim Treffen der SPD zum „Fisch nach Karneval“ auch die Fragen: „Wird Putin den Osten der Ukraine oder gar das gesamte Land schlucken? Sollte er noch ehrgeizigere geopolitische Ambitionen haben?“ Die gegenwärtige Regierung in Moskau bezeichnete Helmut Kuhne als eine Kleptokratie, „die ihr eigenes Volk unterdrückt“ und die heutige herrschende Gruppe in Russland verfolge eine aggressive Politik der Wiederherstellung eines großrussischen Reiches. Insbesondere die baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen) fürchteten diese Bestrebungen, die bis zu ihrer Autonomie stark unter dem sowjetischen Geheimdienst KGB gelitten hätten. Von daher hält der Bad Sassendorfer Sozialdemokrat die Schaffung eines Sondervermögens für die Ausstattung der Bundeswehr für richtig und notwendig. „Deutschland müsse weiterhin klar an der Seite der Ukraine stehen, ein Sieg Putins würde zu einer Bedrohung anderer Länder und damit auch unserer Freiheit führen“. Das auch als Sonderbudget benannte 100-Milliarden-Programm ist ein Finanzierungsinstrument des Bundes ausschließlich für die Bundeswehr mit eigener  Kreditermächtigung von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro. Das Sondervermögen wurde infolge der Regierungserklärung des Kanzlers Olaf Scholz zur „Zeitenwende“ mit der Neuausrichtung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik in der Sondersitzung des Bundestages am Sonntag, 27. Februar 2022, nach dem am Donnerstag, 24. Februar 2022, durch Russland ausgelösten Angriff auf die Ukraine beschlossen.

Hans Zaremba