Hans Zaremba über 60 Jahre Bundesliga – Teil II
Am Samstag, 24. August 1963, war es endlich soweit: Zeitgleich um 17.00 Uhr ertönt in acht Stadien der Anpfiff zur Fußball-Bundesliga. 290.000 Zuschauer haben sich an diesem Sommertag auf den Weg begeben, um die Premiere live vor Ort mitzuerleben. Kurz nach dem Anstoß konnte in Bremen in der Partie des SV Werder mit dem im Juni 1963 noch nach dem alten Modus ermittelten Meister Borussia Dortmund bereits der erste Treffer registriert werden. Friedhelm Konietzka markierte das 1:0 für den BVB. Der für „Lippstadt am Sonntag“ erstellte Beitrag ist nun vorab im weltweiten Netz zu finden.
Strukturen
Nach einer umstrittenen Auswahl am grünen Tisch des DFB (Deutscher Fußball-Bund) gingen im August 1963 insgesamt 16 Teams an den Start. Eintracht Braunschweig, Werder Bremen und der Hamburger SV aus dem Norden. Borussia Dortmund, 1. FC Köln, Meidericher SV, Preußen Münster und FC Schalke 04 aus dem Westen. Eintracht Frankfurt, Karlsruher SC, TSV 1860 München, 1. FC Nürnberg und VfB Stuttgart aus dem Süden. 1. FC Kaiserslautern und 1. FC Saarbrücken aus dem Südwesten. Hertha BSC aus dem West-Teil der geteilten deutschen Metropole. Mit Max Morlock (1925-1994) aus Nürnberg, Helmut Rahn (1929-2003) vom Meidericher SV und dem Kölner Hans Schäfer (1927-2017) waren zum Beginn der Bundesliga noch drei Männer aus der legendären Weltmeisterelf von 1954 dabei. Als führendes Team beherrschten in der Auftaktsaison die Kölner die Szene und wurden mit einem Vorsprung von sechs Punkten in 1964 als Meister der neuen Liga geehrt. Die Domstädter nahmen damals durch die von ihrem Präsidenten Franz Kremer (1905-1967) eingeführten profihaften Strukturen eine Rolle im Oberhaus ein, die man in der Gegenwart mit der des FC Bayern München vergleichen kann. Als erste Absteiger erwischte es Münster und Saarbrücken, die sich aktuell in der dritten Liga befinden. Während den Saarländern noch dreimal ein Bundesliga-Comeback gelang, erlebten die Preußen fortwährend schwierige Phasen von der zweiten bis zur vierten Liga. Erst vor wenigen Wochen schafften sie nach drei Jahren wieder den ersehnten Sprung von der Regionalliga in die dritte Klasse.
Entwicklungen
Die Jahre bis 1973 wurden von mehreren Meistern bestimmt: Bremen (1965), 1860 München (1966), Braunschweig (1967), Nürnberg (1968), Bayern (1969), Mönchengladbach (1970 und 1971) sowie Bayern (1972 und 1973). Die drei Triumphe des um Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller gruppierten FC Bayern waren schon auffällig, da dem Verein erst in 1965 der Aufstieg in die Beletage geglückt war. Schon zum Ende 1960er Jahre war durch das Geschick ihres Managers Robert Schwan (1921-2002) die Grundlage für die Entwicklung der Bayern zum heutigen Branchenprimus gelegt worden. Das eigentliche Münchener Bundesliga-Gründungsmitglied, der TSV 1860, versank dagegen durch das Emporschnellen des örtlichen Rivalen immer mehr aus dem Fokus. Durch wirtschaftliches Missmanagement sowie einer sportlichen Berg- und Talfahrten stürzten die Löwen bis in die vierte Liga ab. Als momentaner Drittligist sind die Chancen der 60ziger gering, wieder ins Oberhaus zu kommen. Zu den überragenden Spielgestaltern von 1963 bis 1973 zählte neben Franz Beckenbauer vom FCB ebenso Günter Netzer als Kapitän der Gladbacher „Fohlen“, die zeitgleich mit den Bayern in die Bundesliga gekommen waren. Daneben gehörten Wolfgang Overath aus Köln und der Frankfurter Jürgen Grabowski (1944-2022) zu diesem Quartett. Überdies beendete zum Spielzeit-Finale 1971/72 der HSV-Torjäger Uwe Seeler seine eindrucksvolle Laufbahn auf dem Rasen. In 1969 (Nürnberg) und in 1972 (Dortmund) konnten erstmals zwei erfolgreiche Gründungsmitglieder die Bundesliga nicht mehr halten. Während der BVB vier Jahre weg vom Fenster war, schafften es die Cluberer seit ihrem ersten Fall ins Unterhaus nicht mehr, den Charakter eines Fahrstuhlvereins abzulegen. Eine Analyse über die von den Protagonisten eines eingleisigen Oberhauses erwartete und eingetretene verstärkte Konkurrenzfähigkeit der deutschen Fußballer im internationalen Vergleich folgt im dritten Teil der Serie zur Bundesliga-Historie. Überschattet wurde die Dekade von 1963/64 bis 1972/73 durch die vom Boss der Offenbacher Kickers, Horst Gregorio Canellas (1921-1999), bei einer Party zu seinem 50. Geburtstag enthüllten Manipulationen im Abstiegskampf der Saison 1970/71. Die Folgen dieser kriminellen Machenschaften waren spürbare Rückgänge bei den Zuschauerzahlen und drastische Strafen für mehrere deutsche Nationalspieler, die an den Betrügereien beteiligt waren.
Zeitgeschehen
Das Startjahr der Bundesliga wurde im Oktober 1963 vom Kanzlerwechsel in Bonn von Konrad Adenauer (1876-1967) auf Ludwig Erhard (1897-1977) begleitet. Zudem ereignete sich im November 1963 das Attentat auf den 35. US-Präsidenten John Fitzgerald Kennedy (1917-1963). Auch knapp 60 Jahre nach der Ermordung des ebenfalls in Deutschland durch seine Rede „Ich bin ein Berliner“ überaus geschätzten amerikanischen Politikers ranken sich um die Tat von Dallas weiterhin noch viele Verschwörungstheorien. Ein knappes Jahr später erzielte die SPD mit dem beliebten Bürgermeister und Fußballfunktionär Jakob Koenen (1907-1974) bei der Lippstädter Kommunalwahl die absolute Mehrheit im Rathaus. Als bedeutendes Ereignis in der Bundespolitik folgte im Herbst 1969 die von Willy Brandt (1913-1992) mit den Worten „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ verkörperte SPD/FDP-Koalition.