Zukunft von Europa im Blick

Birgit Sippel bei den Senioren der Gewerkschaften

Spätestens nach den täglich wechselnden Berichten über das beabsichtigte Ausscheiden von Großbritannien aus der Europäischen Union (EU) ist deutlich geworden, dass Europa stürmischen Winden ausgesetzt ist. Vor diesem Hintergrund findet am Sonntag, 26. Mai, in Deutschland die Europawahl statt. Anlass genug für die Senioren der Industriegewerkschaft Metall (IGM) und Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in Lippstadt, sich mit der Ende Mai anstehenden Abstimmung für die künftige Zusammensetzung des Europaparlaments zu befassen.

Lippstadt am Dienstag, 9. April 2019: 
Birgit Sippel umrahmt von Britta Peter (IGM), Margret Schulte Steinberg (ver.di) und Elvira Kirsch (IGM) bei den Lippstädter Gewerkschaftssenioren.
Archiv-Foto: Hans Zaremba

Herausforderungen

Dazu war aus Arnsberg-Neheim die Europaabgeordnete Birgt Sippel (SPD) ins Lippstädter „Kasino“ gekommen, um sich den Fragen der pensionierten und berenteten ehemaligen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zu stellen. Eingeladen war auch Peter Liese (CDU), der jedoch nicht teilnehmen konnte, was er den Organisatoren zuvor mitgeteilt hatte. Damit fiel der von den Gewerkschaften gewünschte Dialog zwischen der SPD-Frau und dem CDU-Mann aus. So oblag es der 59jährigen Sozialdemokratin, seit 2009 Mitglied im Europaparlament, allein, die vielen großen Herausforderungen in Europa (Wirtschafts- und Finanzkrisen, Migration, Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung), „vor denen die EU steht“, zu schildern. Dabei war zwangsläufig auch der Brexit ein Aspekt der Rede der früheren Betriebsrätin. In Großbritannien sei EU-Bashing, so Sippel, jahrelang ein bevorzugter Sport gewesen. „Eigentlich war die EU für alles verantwortlich, was nicht so lief“, schaute die Referentin der Gewerkschaften auf die Debatten der letzten Jahre im Königreich. Jede Nation könne einen Vertrag kündigen, aber man müsse dann mit den Konsequenzen leben. Brexit bedeute auch, „raus aus dem Binnenmarkt, raus aus der Freizügigkeit, raus aus gemeinsamen Forschungsprojekten und vieles mehr“, gab die Parlamentarierin in der gut besuchten Versammlung zu bedenken. Mit Blick auf die am 26. Mai ausliegenden Stimmzettel erklärte sie, dass auf ihnen wieder eine Fülle von Parteien zu finden seien, weil es bei den Europawahlen – anders wie beim Bundestag – keine Sperrklauseln gebe. Aber man müsse sich bei der Entscheidung auch fragen: „Wo landen die vielen kleinen unbekannten Gruppierungen? Wo mache ich mein Kreuz und wohin soll es in Europa gehen?“ Die einstige Kommunalpolitikerin im Arnsberger Rathaus wünscht sich eine starke Europäische Volksvertretung und eine hohe Wahlbeteiligung. Um das Parlament nicht den rechten und populistischen Gruppierungen zu überlassen, müssen die sozialdemokratischen Parteien in den Mitgliedsstaaten aus der Wahl im Mai gestärkt hervorgehen. „Das gilt auch für die SPD“, betonte die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin

Finanztransaktionssteuer

Bei der EU-Finanzausstattung sprach sich Birgt Sippel für die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer aus. Unverzichtbar sind für sie auch gerechte und europäische einheitliche Regeln zur Besteuerung insbesondere großer Konzerne. Ebenso hält sie einen Rahmen für armutsfeste Mindestlöhne erforderlich, der Lohndumping und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse eindämme. Auf die harsche Missbilligung aus der Mitte der Versammlung einiger Regelungen der auch in dieser Gewerkschaftsveranstaltung geschmähten Agenda 2010 erwiderte das Vorstandsmitglied der Landes-SPD, „falsche Entscheidungen sind wieder zu korrigieren“. Diese gelte selbstverständlich auch für die Leiharbeit, unterstrich Birgit Sippel. Die Bezahlung von Leiharbeitern gegenüber festangestellten Kräften dürfte nicht unterschiedlich sein, wenn man dieses unbeliebte Beschäftigungsmodell zurückdrehen wolle. In der Debatte kam auch der in Lippstadt kritisierte „Wanderzirkus“ der Parlamentarier mit den Standorten in Brüssel und Straßburg zur Sprache. Für die SPD-Frau wäre Brüssel als alleiniger Parlamentssitz die sinnvolle Entscheidung, weil sich hier auch die anderen europäischen Institutionen befinden. Durch eine solche wünschenswerte Konzentration müsse aber für Straßburg ein Ersatz gefunden werden.

Quellenangabe

Der Beitrag wurde am 21. April 2019 für das Internet und die lokalen Printmedien von Hans Zaremba veröffentlicht.