Hans Zaremba über Norbert Walter-Borjans in Lippstadt
„Es gibt kaum ein politisches Thema, das derart von Halbweisheiten und politischen Stammtischmeinungen verdunkelt ist wie das Thema Steuern.“ Diese zutreffende Beschreibung der öffentlichen Abgaben ist dem Klappentext des Buches von Norbert Walter-Borjans „Steuern – der große Bluff“ zu entnehmen. Am Dienstagabend beleuchtete der Verfasser dieses Werkes, der ehemalige Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, in einer gut besuchten öffentlichen Veranstaltung in der Tivoli Lounge in Lippstadt die komplexe Materie.
Interessanter Abend
Dazu war der Sozialdemokrat von der örtlichen Landtagsabgeordneten Marlies Stotz eingeladen worden, die auch den interessanten Abend mit ihrem in Köln lebenden Parteifreund moderierte. Die Ausführungen des 66jährigen waren zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für eine gerechte Besteuerung. Mit seinem Buch räumt der Autor mit Steuermythen auf, kritisiert den Wildwuchs des Finanzbetrugs, die „Umverteilung von unten nach oben“ und erläutert die Notwendigkeit eines starken Staates. So auch bei seinem Vortrag in dieser Woche in Lippstadt. Der einstige Regierungssprecher des früheren Ministerpräsidenten Johannes Rau und spätere Finanzminister im Kabinett von Hannelore Kraft konnte seiner Zuhörerschaft im Lokal am Lippertor einen verständlichen steuerpolitischen Grundkurs vermitteln. Das Steueraufkommen teile sich grob in drei Bereiche auf: das erste Drittel sei die Einkommenssteuer, das zweite Drittel bestehe aus der Umsatzsteuer und das dritte Drittel würden die sonstigen Steuern (unter anderem die Benzinsteuer) sein. Darüber hinaus blickte der Diplomvolkswirt auch auf den Kauf von Compact Disc (CD), um der Steuerflucht auf die Spur zu kommen und der seinerzeit ein hohes Aufsehen in der Öffentlichkeit ausgelöst habe. In seiner Amtszeit von 2010 bis 2017 im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik und mit seiner politischen Rückendeckung hatten Steuerstrafrechtsexperten des Finanzamts Wuppertal für 19 Millionen Euro neun von elf Datenträgern mit Informationen über mutmaßliche Straftäter in der Schweiz angekauft. Das habe zwangsläufig einen großen Protest der eidgenössischen Regierung ausgelöst. Sieben Milliarden Euro habe man damit für die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden erzielen können. „Durchaus ein üppiger Ertrag“, bemerkte der Finanzexperte.
Politisches Lob
Es handelte sich damals teils um hochkomplexe Steuerfälle. Während sich Kritiker über „Hehlerei“ empörten, habe Norbert Walter-Borjans „die häufig mühsame und riskante Arbeit gegen Steuerhinterziehung voll unterstützt“, so der Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Sven Giegold, über den gescholtenen Ex-Minister. Darüber hinaus habe er sich als oberster Dienstherr der Finanzverwaltung stets vor seine Leute gestellt, lautete ein weiteres Lob des Fachmannes aus der grünen Partei. Lange hätten fragwürdige Gepflogenheiten in der Finanzwelt kaum öffentliche Gefühlsregungen bewirkt, fügte der Gast aus Köln in Lippstadt hinzu. Unterdessen sei aber vielen deutlich geworden, „was für ein Ausmaß der Betrug an der Allgemeinheit hat“ und welche kriminelle Energie dahinter stecke. Doch die Methode des Ankaufs der CDs habe Wirkung gezeigt. Getrieben von der Furcht vor Entdeckung hätten Täter rasch Selbstanzeigen vorgenommen. Zu bekanntesten Fällen, die ans Tageslicht gekommen seien, gehören auch die Straftaten des Fußballmanagers des FC Bayern München, Ulrich Hoeneß, und der Kölner Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. Ebenso ging der Referent auf Nachfrage aus dem Publikum auch auf die zwielichtigen Cum-Cum-Geschäfte ein, mit denen inländische Banken ausländischen Investoren dabei halfen, Steuerrückzahlungen zu ergattern, auf die sie keinen Anspruch hatten. Laut Recherchen des NDR-Magazins „Panorama“ und der Wochenpublikation „Die Zeit“ sollen dem Staat dadurch 31,8 Milliarden entgangen sein. Steuern hätten zwar ein schlechtes Image, bewirkten aber Positives, war aus den Worten von Norbert Walter-Borjans herauszuhören. Von ihm wurde bedauert, dass sich auch in seiner Partei zu wenige mit der Steuerproblematik auseinandersetzen. Leider sei der zu Beginn des Jahres 2017 angekündigte „Feldzug gegen den Steuerbetrug“ zu schnell in Vergessenheit geraten. Zu häufig bestimmten die tagespolitischen Abläufe das Handeln. Massive Investitionen in Infrastruktur, Bildung und sozialen Zusammenhalt seien kein Schnickschnack, sondern ein Muss. Deshalb habe man aufzuzeigen, warum Steuern etwas Positives sind, unterstrich der vormalige Spitzenpolitiker.
Quellenangabe
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 13. März 2019, für das Internet und die lokalen Printmedien von Hans Zaremba veröffentlicht.