Hans Zaremba über Christian Ude in Lippstadt
Nach der am Mittwoch in Berlin vermeldeten Einigung für einen neuen Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und Sozialdemokraten, sind nun die Genossinnen und Genossen der SPD am Zuge, ob es auch tatsächlich zu einer Wiederauflage einer Regierung aus CDU, CSU und SPD kommt. Während derweil einige Verfassungsrechtler im SPD-Mitgliederentscheid eine Gefahr für die Demokratie wittern, ist er aus Sicht der SPD ein Beispiel für eine vorbildliche Basisdemokratie. So auch für den einstigen Oberbürgermeister von München, Christian Ude, der sich am Dienstagabend bei der Besprechung seines Buches „Die Alternative oder Macht endlich Politik“ in der Volkshochschule (VHS) in Lippstadt nachdrücklich für dieses Instrument seiner Partei aussprach.
Empfehlungen
Für den 70jährigen Sozialdemokraten ist nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen die Fortsetzung der bisherigen Bundesregierung die logische Konsequenz. Sonderlich überrascht habe ihn die nach der Wahl im vergangenen September eingetretene Konstellation mit sieben Parteien im Bundestag nicht. Sie habe sich bereits vor dem Wahltermin abgezeichnet. Andere Modelle – wie eine Minderheitenregierung – kommen für den gelernten Journalisten und früheren Rechtsanwalt nicht in Betracht. Ebenso erteilte er Überlegungen für baldige Neuwahlen des Bundestages eine klare Absage, weil sie noch einmal einen Schub für die politischen Ränder und ein Erstarken der AfD bewirken würden. Obendrein gab der Mann aus München in der Diskussionsrunde in der VHS Empfehlungen, wie man in einer kommunalen Vertretung den Umgang mit Populisten gestalten könne, als er über die politische Entlarvung der zu seiner Amtszeit im Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt vertretenen rechtsradikalen Parteien berichtete.
Alternativlosigkeit
Dass die Vorstellung des von ihm auf 235 Seiten zusammengetragenen Werkes „keine Lesung im traditionellen Sinne“ wurde, stellte der Autor an den Beginn seiner gut 60 Minuten umfassenden Einführung. Sie war – wie es auch dem Klappentext seines Buches zu entnehmen ist – ein Plädoyer für ein schonungsloses „Sagen, was ist“ und beinhaltete zugleich etliche Rüffel gegenüber seiner eigenen Partei, der er seit 1966 angehört. So betrachtete er den „Gerechtigkeitswahlkampf“ des letzten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz skeptisch: „Man hätte realistischer zu Werke gehen müssen. Man hätte erkennen und wissen müssen, dass man von den letzten zwanzig Jahren fünfzehn Jahre eine Regierungspartei war“, womit der VHS-Gast die Regierungsphase mit dem von der SPD gestellten Kanzler Gerhard Schröder (1998 bis 2005) und die Bündnisse von Union und SPD (2005 bis 2009 sowie 2013 bis 2017) meinte. Auch mit dem Regierungsstil der Bundeskanzlerin setzte sich Ude in Lippstadt auseinander. „Alternativlosigkeit“ und „asymmetrische Mobilisierung“ seien zwei Formen, die aus dem Blickwinkel der Union parteipolitisch clever sein können, „aber dieser Demokratie nicht gut tun“. Denn die Demokratie lebe von der Mobilisierung der Demokraten und zwar auf beiden Seiten eines Konflikts und nicht von der Einschläferung, betonte der frühere Spitzenpolitiker.
Standpunkte
Der in München-Schwabing aufgewachsene Sohn eines Kulturredakteurs und einer Hausfrau ging auch auf jene Kritik („Er bediene die Argumente der Rechtspopulisten“) ein, die er zum Thema „Flüchtlinge“ einstecken musste. Es sind Sätze, die wegen ihres Inhaltes und Diktion viel Aufsehen erregt haben. „Niemand erwartet, dass alle Merkelianer in CDU, SPD und FDP sowie bei den Grünen und Linken sich bei Viktor Orbán (dem rechtspopulistischen ungarischen Ministerpräsidenten) bedanken“, notiert der Autor in seiner Publikation vor dem Hintergrund der gesunkenen Flüchtlingszahlen in Deutschland nach der Schließung der Balkonroute. Es ist eine Kritik an der Asylpolitik der Kanzlerin Angela Merkel, aber auch an der eigenen Partei. Er, dies unterstreicht Ude, stehe voll hinter dem Asylrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention. Von daher könne er mit dem Begriff „Obergrenze“ oder ähnlichen Bezeichnungen nichts anfangen.
Willkommenskultur
Auch die „einschlägigen Parolen gutmeinender Repräsentanten der Willkommenskultur“ mit „den trauten Runden moralischer Überlegenheit“ sprach Christian Ude bei seinem Besuch in Lippstadt an. Desgleichen den Tadel zu seinem Titel „Alternative“ der von ihm zu Papier gebrachten Standpunkte zu den entscheidenden Politikfeldern – Einwanderung, Islam, Türkei und Europa – und gegen die vorherrschende Politik des „alternativlosen Sachzwangs“, moralischer Selbstüberhöhung und emotionaler Befindlichkeit. Wenn in der Gegenwart mit dem Wort „Alternative“ verstärkt eine Partei im rechten Spektrum verbunden werde, halte er dennoch die von ihm gewählte Bezeichnung für richtig, weil sie in der Tradition eines Werkes des Schriftstellers Martin Walser stehe. Der hatte in den 1960er Jahren ein Ende der damaligen großen Koalition gefordert und dazu gleichfalls ein Buch mit „Die Alternative“ betitelt. „Das weiß von den heutigen Meinungsfürsten offensichtlich niemand“, meinte Ude über seine Kritiker, die ihm aufgrund seiner Thesen zur Migrationspolitik eine Nähe zur AfD vorwerfen.
Quellenangabe
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 7. Februar 2018, für das Internet und die lokalen Printmedien von Hans Zaremba veröffentlicht.