Hans Zaremba über eine kurzweilige Fußballdiskussion
Keineswegs überlagerten die durchaus konkurrierenden Interessen zwischen den Proficlubs und den Amateurvereinen die in Brilon von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ausgerichtete Diskussion „Fußball ist mehr als ein 1:0“, aber sie waren gleichwohl beim mit reichlicher Prominenz geführten Fachgespräch ein brisantes Thema. Spätestens immer dann, wenn die Klassiker in der Bundesliga parallel zu den Begegnungen in den Amateurligen stattfinden, bewegt dieser Konflikt zwischen den Profis und Amateuren auch im heimischen Landstrich und sicherlich auch in Lippstadt etliche verantwortliche Akteure des beliebten Sports mit dem runden Leder.
Medienauflauf
Die SPD-nahe und älteste politische Stiftung in Deutschland war es für ihre Betrachtung „Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs“ gelungen, für den vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dirk Wiese (SPD), geschickt moderierten Dialog einflussreiche Podiumsteilnehmer zu finden. Neben dem DFB-Präsidenten und einstigen Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel (CDU) hatte der Veranstalter mit dem Vorstandsvorsitzenden von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, und dem Finanzvorstand des FC Schalke 04, Peter Peters, auch zwei absolute Spitzenmanager der westfälischen Bundesligisten verpflichten können. Ebenso war mit Jürgen Hillebrand, ehrenamtliches Präsidiumsmitglied des SV 20 Brilon, ein uneingeschränkt ebenbürtiger Gesprächspartner dabei, der es in der illustren Runde zweifellos verstand, den Interessen der von ihm repräsentierten Vereine aus dem Amateurlager effektvoll Gehör zu verschaffen. Immens war auch der Auflauf der Medien. Es waren zu dem Forum überraschend viele Berichterstatter verschiedener Printpublikationen aus der Region sowie Hörfunk- und Fernsehjournalisten von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern im schmucken Briloner Atrium der Sparkasse Hochsauerland zugegen.
„Event-Charakter“
Den Amateurvereinen empfahl der BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, der seit 22 Jahren auch als ehrenamtlicher Präsident an der Spitze des Landesligisten RW Erlinghausen aus der Stadt Marsberg steht, Ideen zu entwickeln, „wie die Zuschauer wieder zum Platz kommen“. So wie es vor einigen Tagen dem SSV Dillingen gelang, mit dem heutigen Wrestler Tim Wiese einen früheren Nationaltorwart in seinem Gehäuse aufzubieten, was immerhin 2.000 Zuschauer zum Kreisligaspiel ins bayerische Schwaben lockte. Der DFB-Präsident Reinhard Grindel, Mitglied des niedersächsischen Landesligisten Rotenburger SV, nahm den vom BVB-Boss gesponnenen Faden auf („Tim Wiese kann nicht überall in der Kreisliga aushelfen“) und appellierte an die Amateure, neue Wege zu gehen und nach Möglichkeit einen „Event-Charakter“ zu entwickeln, um den Zuschauerschwund aufzuhalten. Doch Theorie und Praxis sind bekanntlich oft zwei Seiten einer Medaille, was gerade in Lippstadt nach der Erweiterung der Anlage des SV 08 an der Wiedenbrücker Straße augenscheinlich wurde. Speziell der Vorschlag des ehemaligen ZDF-Journalisten Reinhard Grindel, Spiele am Freitagabend unter Flutlicht anzusetzen, ist derzeit in Lippstadt wegen der Kontroversen um den Bebauungsplan 312 („Am Bruchbaum“) zum Leidwesen des Spielvereins und seiner treuen Anhänger nur schwerlich zu verwirklichen.
50+1-Regelung
Auch die 50+1-Regelung, die es Kapitalanlegern verwehrt, bei Profivereinen die Stimmenmehrheit zu übernehmen, wurde in der aufschlussreichen Debatte aufgegriffen. Sowohl der Borusse Hans-Joachim Watzke („Ich wehre mich dagegen, dass Leute die mit dem Fußball Geld verdienen wollen, so tun, als wenn mit 50+1 kein Erfolg möglich wäre“) als auch der Schalker, zugleich Vizepräsident der DFL (Die Liga – Fußballverband e. V.), Peter Peters „Bisher hat keiner der 36 Vereine bei der DFL einen Antrag gestellt, die 50+1 Regelung zu kippen“) sahen keinen Grund, die bewährte Bestimmung aufzugeben. Dies meinten auch Reinhard Grindel, der für den DFB keinen Handlungsbedarf erkannte, und Jürgen Hillebrand, der den in Deutschland „eingeschlagenen Weg“ weitergehen möchte. Überdies verspürten die Vertreter der westfälischen Erzrivalen, beide studierte Betriebswirtschaftler und Diplomkaufleute, keine Tendenzen, wonach der deutsche Fußball von der englischen Premier League abgehängt werden könne. Ironisch bemerkte der Schwarzgelbe: „Trotz der unglaublichen Kohle haben die Engländer nur eine Mannschaft im Viertelfinale der Champions League – und das ist Leicester City, der man nicht unbedingt zutraut, den Titel zu gewinnen.“
Integration
Obendrein nahm auch das Thema „Integration“ bei dem FES-Abend einen hohen Stellenwert ein, als der vormalige Berufspolitiker Reinhard Grindel erklärte: „Der Verein fungiert oftmals als erste Anlaufstelle in der neuen Heimat.“ Zugleich wandte er sich mit dem Appell „Deshalb wünsch ich mir auch im Amateurfußball, dass wir uns weiter vor die Menschen stellen – denn dem Ball ist egal, wer gegen ihn tritt“ an das über 200 Personen umfassende Publikum, das dem DFB-Chef lautstarken Beifall von den Besucherinnen und Besuchern, die teils in den schwarzgelben und königsblauen Ornaten der Reviervereine gekommen waren, zollte. Zudem bezeichnete der Fußballpräsident das von Joachim Löw zusammengestellte Team sei ein Musterbeispiel für gelungene Integration und unterstrich wieder von Applaus begleitet: „Ohne die Özils, Boatengs und andere wären wir nicht Weltmeister geworden.
Quellenangabe
Dieser Beitrag ist am 15. April 2017 für das Internet und die lokalen Printmedien von Hans Zaremba veröffentlicht worden.