Bernd Faulenbach über Friedrich Ebert
Innerhalb eines knappen Monats präsentierte der Lippstädter SPD-Ortsverein anlässlich seines 95jährigen Bestehen nach der Buchbesprechung zum schwierigen Verhältnis von Willy Brandt und Helmut Schmidt mit dem Ex-SPD-Chef Franz Müntefering als Moderator und dem Journalisten Gunter Hofmann als Autor des Werkes über die beiden SPD-Kanzler nun mit die Ausstellungseröffnung „Friedrich Ebert – Vom Arbeiterführer zum Reichspräsidenten“ eine zweite öffentliche Veranstaltung zur deutschen Geschichte und eigenen Partei. Dazu war der Historiker Professor Dr. Bernd Faulenbach an die Lippe gekommen. Das interessante Referat des Vormannes der Historischen Kommission beim SPD-Vorstand in Berlin hat der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hans Zaremba in diesem Beitrag notiert.
Heidelberg
In der Würdigung von Friedrich Ebert als einem „der wichtigsten Weichensteller für die erste Demokratie auf deutschen Boden, die Weimarer Republik“ blickte der Ehrenvorsitzende der Bochumer Sozialdemokratie bis auf die Kindheit und Jugend des am 4. Februar 1871 in Heidelberg als siebtes von neun Kindern des Schneidermeisters Karl Ebert und seiner Ehefrau Katharina geborenen späteren Reichspräsidenten zurück. In der Heidelberger Altstadt wuchs Friedrich Ebert im Kleine-Leute-Milieu in relativ gesicherten, aber sehr beengten Verhältnissen auf. Hier durchlebte er eine typische Kindheit und Jugend, besuchte die Volksschule, erlernte das Sattlerhandwerk und ging anschließend für mehr als zwei Jahre auf Wanderschaft in Deutschland. Diese Zeit fällt in die Endphase des vom Reichskanzler Otto von Bismarck vorangetriebenen Sozialistengesetzes und in ihr schließt sich der junge Handwerksgeselle der Gewerkschaft und Sozialdemokratie an. Im Mai 1891 kommt der gelernte Sattler nach Bremen, das für 14 Jahre seine Heimat wird und wo er eine Familie gründete. An der Weser steigt er von einem der zahlreichen Agitatoren der sozialistischen Arbeiterbewegung zu einem führenden Funktionär der Sozialdemokratie auf.
Bremen
Der Versuch, sich im erlernten Beruf selbständig zu machen, scheitert. Nach kurzer Zeit als Redakteur bei der „Bremer Bürgerzeitung“ übernimmt Friedrich Ebert 1894 als Pächter eine Gastwirtschaft. Sein unermüdliches Engagement für die Arbeiterbewegung führt schließlich zu einer besoldeten gewerkschaftlichen Tätigkeit, durch die er 1900 zum Arbeitersekretär wird. Friedrich Ebert, der sich auf der Wanderschaft hauptsächlich für seinen eigenen Berufsstand eingesetzt hat, lernt jetzt die Nöte und Sorgen der Arbeiterschaft in ganzer Breite kennen. Diese unmittelbaren Erfahrungen hätten, wie Bernd Faulenbach in seiner Betrachtung betonte, fortan das politisches Denken von Friedrich Ebert bestimmt. Wie viele SPD-Funktionäre seines Alters, die aus dem handwerklichen Lebensbereich stammen, erweitert auch er sein Wissen durch intensives Selbststudium. Als Inhaber zahlreicher Führungspositionen in Partei und Gewerkschaft habe er zugleich seine organisatorischen Fähigkeiten entwickelt und als Mitglied der bremischen Bürgerschaft von 1900 bis 1905 zudem wichtige Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit gesammelt.
Berlin
Die tagtägliche Konfrontation mit den Problemen des kleinen Mannes habe den politischen Standpunkt von Friedrich Ebert geformt, stellte der Honorarprofessor der Bochumer Ruhruniversität in seiner einstündigen Rede in Lippstadt heraus. In den Auseinandersetzungen der Sozialdemokraten zwischen Reformisten, Revisionisten und Revolutionären habe er auf der reformistischen Seite gestanden. Zunehmende innerparteiliche Konflikte der SPD in Bremen hätten ihn bestärkt, seine politische Arbeit außerhalb der Hansestadt fortzusetzen. Mit der Wahl zum Sekretär des zentralen SPD-Parteivorstandes in Berlin auf dem Jenaer Parteitag im September 1905 habe er diesen Wunsch in die Tat umsetzen können. Nach seinem Umzug in die Hauptstadt im Dezember 1905 wurde diese für die nächsten zwei Jahrzehnte die letzte Station seines Lebens. Mit 34 Jahren ist nun der einstige Handwerker das jüngste Mitglied im obersten Führungszirkel der aufstrebenden SPD. Unter den Parteivätern in diesem Gremium wie August Bebel, Paul Singer und Hermann Molkenbuhr, die bereits vor dem Sozialistengesetz zur Sozialdemokratie gestoßen waren, verkörperte Friedrich Ebert eine neue Generation.
Reichstagsabgeordneter
Bei den Reichstagswahlen im Januar 1912 siegt Friedrich Ebert im Wahlkreis Elberfeld-Barmen (der sich heute im Stadtgebiet von Wuppertal befindet) und zieht zum ersten Mal in die nationale Volksvertretung ein. Entgegen zu heute, wo die Parteibasis ihre Kandidaten nominiert, wurden vor über 100 Jahren die Bewerber für die Parlamente von der Zentrale bestimmt, wie der Geschichtskenner Bernd Faulenbach die damalige Praxis in seinem Vortrag erläutert. Der neue Abgeordnete gehörte damit zu den 110 Sozialdemokraten, die unter den insgesamt 397 Parlamentariern die mit Abstand stärkste Fraktion stellten. Mit über vier Millionen Wählern habe die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in 1912 ihren bisher größten Triumph erzielen und sich endgültig zur Massenpartei etablieren können. Sie umfasste damals eine Million Mitglieder und hatte sich vom Arbeitergesangverein bis zum Arbeitersportverein eine eigene sozialdemokratische Kultur geschaffen, die auf diese Weise ein Gegenmodell zu der in jener Zeit bestehenden bürgerlichen Gesellschaft repräsentierte.
Parteivorsitzender
Nach dem Tod von August Bebel wird Friedrich Ebert am 13. August 1913 sein Nachfolger in der SPD-Doppelspitze und gleichberechtigter Vorsitzender neben dem seit 1911 amtierenden Hugo Haase. Bereits ein dreiviertel Jahr später bricht der Erste Weltkrieg aus, der für das Deutsche Reich wie für die SPD zur Zerreißprobe wird. Auch der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert wird persönlich von den fortwährend steigenden Opfern des Krieges berührt. Zwei seiner vier Söhne, Heinrich und Georg Ebert, fallen und der Vater ist von ihrem Tod tief betroffen. Politisch zerbricht seine Partei in der Frage der Billigung der Kriegskredite. Die Bemühungen von Friedrich Ebert, die Einheit der Sozialdemokratie zu erhalten, bleiben erfolglos. Die Gegner der Anleihen – unter anderem der SPD-Ko-Vorsitzende Hugo Haase – bilden 1916 eine eigene Fraktion und gründen ein Jahr später die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands), während der Kern der alten Parteiführung um Friedrich Ebert bei der Mehrheitssozialdemokratie bleibt.
Reichskanzler
Im Herbst 1918 muss die deutsche Militärführung die Kriegsniederlage einräumen und die SPD tritt in das unter Prinz Max von Baden gebildete Kabinett erstmals in eine deutsche Regierung ein. Mit der Meuterei von Kiel, wo sich Matrosen der Hochseeflotte weigerten, nur um die Ehre der Offiziere willen zu einer Seeschlacht gegen die englischen Verbände auszulaufen, erreicht die revolutionäre Welle auch Berlin. Reichskanzler Max von Baden, der zur Beruhigung der Massen eigenmächtig die Abdankung des Kaisers verkündet, übergibt zugleich sein Amt an Friedrich Ebert, das er nur einen Tag ausübt. Überdies ruft Philipp Scheidemann am 9. November 1918 die Republik aus. Friedrich Ebert bemüht sich rasch um die Bildung einer Übergangsregierung aus SPD und USPD, die sich als Rat der Volksbeauftragten konstituiert und von ihm und Hugo Haase als gleichrangige erste Repräsentanten geleitet wird.
Reichspräsident
Nach den Wahlen der Nationalversammlung am 19. Januar 1919, wo anstelle des Mehrheitswahlrechts ein reines Verhältniswahlrecht zum Tragen kommt und womit nunmehr in Deutschland Frauen wählen sowie gewählt werden konnten, erfolgt für Friedrich Ebert am 11. Februar 1919 die Berufung zum Reichspräsidenten. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte haben die Deutschen ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt. Friedrich Ebert ist der erste Nichtadelige in dieser Funktion, der erste Sozialdemokrat, der erste Zivilist, der erste Amtsinhaber proletarischer Herkunft, schließlich der einzige Demokrat an der Spitze des Deutschen Reiches im Zeitabschnitt von 1871 bis 1945. Friedrich Ebert habe das Amt des Reichspräsidenten mit seinen umfangreichen Kompetenzen bewusst angestrebt, „um seiner Partei einen wichtigen Teil der Staatsmacht für einen längeren Zeitraum zu sichern“, erklärte Bernd Faulenbach seinem Publikum. Als höchster Volksvertreter der neuen Republik war der Sozialdemokrat fortwährend bösartiger Verleumdungen und Diffamierungen ausgesetzt. Dadurch habe Friedrich Ebert seine Gesundheit vernachlässigt und eine Blinddarmreizung verschleppt, an der er am 28. Februar 1925 im Alter von 54 Jahren letztlich verstorben sei. Nachfolger wird der monarchisch gesinnte Generalfeldmarschall und Wegbereiter des NS-Regime, Paul von Hindenburg.
Quellenangabe
Dieser Beitrag wurde von Hans Zaremba am 27. September 2016 für die lokalen Printmedien und das Internet verfasst.