Jakob Koenen setzte Maßstäbe

SPD-Ortsverein Lippstadt blickt auf 95 Jahre zurück

Sozialdemokraten und Veranstaltungen der 1863 aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) hervorgegangenen Partei muss es in Lippstadt offensichtlich schon um den Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert gegeben haben, was einzelne Veröffentlichungen dokumentieren. Doch ein fester Zusammenschluss der Lippstädter SPD ist erst ab 1921 feststellbar, womit die lokale Sozialdemokratie in diesem Jahr auf ihr 95jähriges Bestehen zurückblicken kann. Mit diesem Beitrag für „Lippstadt am Sonntag“ skizziert Hans Zaremba die bisherige Geschichte des von ihm als Vorsitzender geleiteten mitgliederstärksten SPD-Ortsvereins in der größten Stadt im Kreisgebiet und hebt dabei einige seiner markantesten Frauen und Männer hervor.

Markante Persönlichkeiten des Lippstädter SPD-Ortsvereins: 
Zu ihnen gehört neben dem 1974 verstorbenen Bürgermeister Jakob Koenen (Mitte) auch sein langjähriger politischer Ziehsohn Werner Roß (+ 2011), der auf diesem Bild im Jahr 1968 für sein zehnjähriges Ratsjubiläum geehrt wird. Die Szene beobachtet der damalige Stadtdirektor Friedrich Wilhelm Herhaus (+ 2014).

Vernichtete Dokumente

Leider sind durch die Terrorherrschaft der braunen Machthaber von 1933 bis 1945 viele wertvolle Akten und Papiere aus der Zeit von 1921 bis 1945 verloren gegangen. Zum Schutz etlicher in die Fänge der Häscher der Hitler-Diktatur gelangter Sozialdemokraten mussten unzählige Unterlagen vernichtet werden, worüber in den 1950er Jahren der damalige Kassierer des SPD-Ortsvereins Lippstadt, Paul Schoppe (+ 1974) aus eigenem Erleben aus der Zeit der Nazi-Willkür berichtete. Für eine möglichst umfassende Darstellung der Geschichte der SPD an der Lippe wären sie erforderlich gewesen. Somit stützen sich fast alle Recherchen für die Erfassung der SPD-Historie in Lippstadt vorwiegend auf Dokumente aus der Zeit nach 1945. Daraus sind in den vergangenen Jahren einige Publikationen entstanden und von den Sozialdemokraten auch ins Internet (www.lippstadt-mitte-spd.de) eingestellt worden. Aus ihnen wird offenkundig, dass die SPD insbesondere in der Nachkriegszeit von Kommunalwahl zu Kommunalwahl immer mehr zur bestimmenden politischen Kraft in Lippstadt wurde. Dafür steht stellvertretend ein Name: Jakob Koenen, Bürgermeister vom 9. November 1948 bis zu seinem Tod am 16. Januar 1974 und Bundestagsabgeordneter von 1953 bis 1969. Es ist im Wesentlichen sein Verdienst, wenn heute über den raschen Wiederaufbau Lippstadts nach dem Zweiten Weltkrieg und von der durch seine Initiative im Jahr 1951 gegründeten Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Lippstadt (GWL) die Rede ist. Ebenso konnte der 1907 in Lippstadt geborene Sozialdemokrat dank seiner vielfältigen Kontakte erhebliche Impulse für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung – wie mit dem 1973 eröffneten Stadttheater – Lippstadts setzten. Jakob Koenen war zweifellos bis zur kommunalen Neuordnung die dominierende Persönlichkeit der Lippstädter Kommunalpolitik.

Begegnungen mit Politprominenz (I): 
Dieses Foto ist 1979 im Cafe Bergschneider entstanden, als damalige Juso-Bundesvorsitzende und spätere Kanzler (1998 bis 2005), Gerhard Schröder (zweiter von rechts), an der Lippe weilte. Mit dabei der Lippstädter Jungsozialist Heinz-Hermann Peters, der heutige SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hans Zaremba und einer seiner Vorgänger Professor Horst Heckemüller (+ 2008).

Gewerkschaftliche Prägung

Mit seinem Nachfolger als Parlamentarier in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, Engelbert Sander (+ 2004), gehörte, ein weiterer Sozialdemokrat aus Lippstadt genauso so lange wie sein Vorgänger der Versammlung der Abgeordneten am Rhein an. Von 1969 bis 1976 und erneut von 1978 bis 1987 vertrat der Gewerkschaftler die Interessen der Lippstädter Region im Bundestag. Durch ihn und seinem langjährigen hauptamtlichen Kollegen in der Lippstädter Verwaltungsstelle der Industriegewerkschaft Metall (IGM), Werner Franke (+ 2006), wurde die Sozialdemokratie in Lippstadt von den 1950er bis in die 1980er Jahre stark gewerkschaftlich geprägt. Eine Verbindungslinie, die das Wirken und Profil der heimischen SPD bis heute bestimmt. Mit den beiden Metallern gehörten zu jener Zeit auch viele andere Kolleginnen und Kollegen aus den im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengefassten Einzelgewerkschaften als SPD-Mandatsträger den Vertretungen des Kreises und der Stadt an. So auch der langjährige Geschäftsführer der Gewerkschaft Öffentliche Dienste und Transport (ÖTV), Hermann Schuchtrup (+ 1995), und der Vorsitzende des Betriebsrates der Hella, Franz Homberg (+1989).

Begegnungen mit Politprominenz (II): 
Der spätere Vizekanzler Franz Müntefering (zweiter von links) war in den vergangenen 40 Jahren wiederholt zu Veranstaltungen in Lippstadt und somit wohl der häufigste Gast seiner Lippstädter Genossinnen und Genossen. So auch im Frühjahr 1993 als Landessozialminister im Rathaussaal, wo nun die Jubilarehrung des Lippstädter SPD-Ortsvereins stattfindet, bei einem Seniorentreffen der Sozialdemokraten. Auch der damalige Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Brülle, SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Zaremba und die Ex-Kreistagsabgeordnete Margret Geßling (heute Schulte Steinberg), von links in der hinteren Reihe, waren bei diesem Nachmittag zugegen.

Bedeutende Frauen und Männer

Bedeutende Frauen der Kommunalpolitik aus dem Lippstädter SPD-Ortsvereins waren unter anderem die ehemalige Kreistagsabgeordnete und Vizelandrätin Elisabeth Kuppert (+ 2011) und die frühere Vorsitzende des städtischen Kulturausschusses, Berni Alff. Besondere Akzente in der Kommunalpolitik markierten auch die Ex-Vorsitzenden des einstigen Planungs- und Gestaltungsausschusses, Werner Roß (+ 2011), und Dr. Franz Walter Henrich, die jeweils auch einige Jahre als Chefs der SPD-Fraktion im Stadtrat agierten, sowie Walter Neumann (+ 2015) als Vorsitzender des vormaligen Garten- und Friedhofsausschusses und SPD-Sprecher im Verwaltungsrat der Sparkasse Lippstadt. Überdies gelangten bislang drei Mitglieder aus dem SPD-Ortsverein Lippstadt in den Landtag. Horst Marin, der im Mai 1975 als Nachrücker für zwei Wochen zum Ende der im Sommer 1970 begonnenen Legislaturperiode dem Parlament in der Landeshauptstadt angehörte, und Karl-Heinz Brülle, der 1985 und 1990 jeweils das Direktmandat im Wahlkreis mit Lippstadt, Anröchte, Erwitte, Geseke, Rüthen und Warstein gewinnen konnte. Seit Mai 2000 bis in die Gegenwart ist Marlies Stotz als Abgeordnete im Landtag tätig, in den sie zuletzt nach seiner vorherigen Auflösung bei der vorgezogenen Neuwahl im Mai 2012 als Direktbewerberin einzogen ist.

Begegnungen mit Politprominenz (III): 
Die heutige Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (zweite von links) war im Wahlkampf 2009 eine der vielen Besucherinnen und Besuchern, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Gast beim Lippstädter SPD-Ortsverein waren. Mit im Bild die Landtagsabgeordnete Marlies Stotz, der jetzige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wolfgang Hellmich (Bad Sassendorf), und SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Zaremba.
Archiv-Fotos (4): Sammlung Hans Zaremba

Jubilarehrung im Rathaus

Von den momentanen drei Lippstädter Kreistagsmitgliedern der Sozialdemokraten stammt mit Dr. Nils Duscha ein Politiker und von den 17 SPD-Ratsfrauen und -herren kommen mit Karl-Heinz Brülle, Christine Goussis, Dr. Yasmine Freigang, Josef Niehaus, Gabriele Oelze-Krähling, Sabine Pfeffer, Manuel Rodriguez Cameselle, Udo Strathaus, Marlies Stotz und Hans Zaremba zehn Mitglieder aus dem SPD-Ortsverein Lippstadt. Ihren diesjährigen Geburtstag will die älteste SPD-Parteigliederung an der Lippe mit drei besonderen Veranstaltungen herausstellen. Das sind am Samstag, 19. März, im Rathaus die Würdigung langjähriger SPD-Mitglieder, im Juli ein gemeinsam mit dem SPD-Stadtverband beabsichtigtes Sommerfest und im Herbst eine in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung geplante Ausstellung zum Leben und Wirken des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Zu ihrer Jubilarehrung erwarten die Sozialdemokraten neben der Landesministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, Christina Kampmann (Bielefeld), auch den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Wolfgang Hellmich (Bad Sassendorf), als Gäste.

Quellenangabe

Dieser Beitrag wurde am 16. März 2016 für „Lippstadt am Sonntag “ und das Internet von Hans Zaremba veröffentlicht.