SPD blickt auf die Wende in der ehemaligen DDR zurück
„Am 9. November 1989 fiel die Mauer in Berlin – mehr als vier Jahrzehnte nach dem Beginn des Kalten Krieges und 28 Jahre nach ihrer Errichtung. Seit ihrem Bau im Jahr 1961 fanden beim Versuch, die Mauer zu überwinden, über 200 Menschen den Tod. Die Berliner Mauer hat Familien zerrissen, eine Stadt und ein Land geteilt. Sie war das Symbol des Kalten Krieges. Sie stand für die Spaltung Berlins, unseres Landes, Europas und der Welt in einen freien und in einen unfreien Teil.“
Wahrnehmungen geschildert
Daran erinnerte die Landtagsabgeordnete Marlies Stotz bei der Rückschau von Elmar Arnemann, Karl-Heinz Brülle und Bernhard Scholl zum Engagement der Lippstädter SPD beim Aufbau einer demokratischen Struktur im sächsischen Oschatz und Umland im Zuge des politischen Umbruchs in der damaligen (Noch-) DDR. Die drei SPD-Mitglieder, die in den ersten Monaten nach der Öffnung der Grenzen von der Lippe mehrere Male in die Kreisstadt an der Döllnitz gereist waren, schilderten bei der Eröffnung der Ausstellung „Fahrten in ein unbekanntes Land“ im Stadtmuseum ihre damaligen Eindrücke von den Menschen und ihre vor Ort gewonnenen Wahrnehmungen.
Gemischte Gefühle
Dabei hob der einstige SPD-Ratsherr Bernhard Scholl hervor, Ende Januar 1990 die erste Tour nach Oschatz „mit sehr gemischten Gefühlen“ angetreten zu haben. Seine Frau Marga Scholl (1960 und somit noch vor dem Mauerbau mit ihren Eltern aus Brandenburg nach Westfalen geflüchtet) und er seien nach der Errichtung des trennenden Bollwerkes etliche Male in der DDR gewesen. „Daher kannten wir uns recht gut aus“, sagte der 66jährige. Doch im Laufe der Jahre habe die oppositionelle Stimmung in DDR immer mehr zugenommen, was die Eheleute Scholl bereits um Ostern 1989 beim Besuch ihrer Verwandten in Ostberlin „mit einer großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung“ registriert hatten.
Angenehm überrascht
Der vormalige Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Brülle berichtete von seinen Empfindungen über den städtebaulichen Zustand von Oschatz, den er vor 25 Jahren auch auf Zelluloid fixiert hat und der auch heute noch zu betrachten ist. „Obwohl die Häuser äußerlich nicht gerade einladend wirkten, waren wir von ihrer inneren Ausstattung angenehm überrascht.“, veranschaulichte der frühere Vorsitzende des städtischen Bau- und Verkehrsausschusses seine Erkenntnisse von Anfang 1990.
Wirkliches Interesse
Elmar Arnemann, Ratsmitglied von 1989 bis 1999, charakterisierte den Straßenwahlkampf in Sachsen für die erste und einzige freie Wahl der Ostberliner Volkskammer: „Nach einer anfänglichen Zurückhaltung kamen immer mehr Neugierige zu unseren Ständen“ und der pensionierte Gesamtschullehrer unterstrich: „Es war ein wirkliches Interesse.“ Dies habe sich nicht nur auf die üblichen Streuartikel erstreckt, sondern auch Informationen zu den politischen Inhalten umfasst. „Insbesondere gab es viele Fragen zu den Unterscheidungen zwischen SPD und CDU“.
Politisches Einmaleins
Auch die Begegnungen mit den Sozialdemokraten aus Sachsen in Lippstadt, wo meist Fragen zum politischen Einmaleins auf der Tagesordnung standen, wurden in der vom Kreistagsabgeordneten Dr. Nils Duscha und Lippstädter Ratsmitglied Hans Zaremba geführten Gesprächsrunde aufgegriffen. Während es Karl-Heinz Brülle (der wie kaum ein anderer das SPD-Innenleben kennt) oblag, vor einem Vierteljahrhundert den Gästen aus dem Kreis Oschatz die Strukturen und Abläufe seiner Partei näher zu bringen, war der Part von Elmar Arnemann als bildungs- und kulturpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, die Bildungspolitik mit seinen föderalen Strukturen in Westdeutschland und am Beispiel von Lippstadt die Schullandschaft zu erläutern. Bernhard Scholl, damals auch ehrenamtlicher Referent der Industriegewerkschaft Metall (IGM), hatte im Frühjahr 1990 die Aufgabe, die Aspekte „Betriebsräte“ und „Mitbestimmung“ darzustellen.
Entwicklung analysiert
Überdies gaben die drei Lippstädter Sozialdemokraten auch Einschätzungen zur Entwicklung nach dem Ende der DDR bis zur aktuellen politischen Situation in den neuen Ländern ab, die nach den Worten von Elmar Arnemann für seine Partei bitter erscheint. Von den 126 Landtagsabgeordneten in Dresden stellen die Sozialdemokraten ganze 18 Parlamentarier, im Kreistag an der Döllnitz 17 von 80 Mitgliedern und in Oschatz sieht es bei einem SPD-Kommunalpolitiker von 26 Stadtvertretern noch trüber für die SPD aus. „Offensichtlich haben sich vierzig Jahre DDR nachhaltiger ausgewirkt, als die zwölf Jahre der NS-Zeit, die nach 1945 beim Wiederaufbau der Demokratie im Westen zu bewältigen waren“, analysierte der Lippstädter die relativ starke Stellung der heutigen Nachfolgepartei der SED, Linke, in den ostdeutschen Ländern. Für Westdeutsche sei es nur schwer einzusehen, dass es in der SED nicht nur Stasi-Spitzel gab, sondern auch pragmatische Kümmerer, die bis in die Gegenwart über ein funktionierendes Netzwerk verfügen. Die von der SPD im Stadtmuseum zum Mauerfall dargebotenen zwei Ausstellungen „Wir haben die Machtfrage gestellt“ und „Fahrten in ein unbekanntes Land“ können noch bis einschließlich Sonntag, 7. Dezember, besucht werden.
Quellenangabe
Dieser Beitrag wurde am 24. November 2014 für das Internet und die lokalen Printmedien von Hans Zaremba veröffentlicht.